express - Das Ausgehmagazin  
Das Ausgeh- und Freizeitmagazin der «Schaffhauser Nachrichten» 23.09.2004

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Stolperstein


von Katrin Ochsner


Wenn man schon mehr als ein halbes Jahrhundert auf dieser Erde herumgewandert ist, hat man vieles erlebt und erlitten, viel geweint und gelacht. Einige Ambitionen sind begraben, einige Probleme gelöst, über andere stolpert man immer wieder, zum Beispiel: Wie isst man eine Cremeschnitte?
Sie ist die Königin der Gebäckstücke mit ihrer sorgfältig austarierten Mischung aus Knusprigkeit, weicher Creme und süssem Zuckerguss, und damit eine der Versuchungen im Alltagsleben,
derer man kaum widerstehen kann.
Da bin ich also wieder mal schwach geworden, und das Wasser läuft mir im Munde zusammen, wie so ein frisches, süsses Wunder vor mich hingestellt wird. Feierlich nehme ich die Gabel, um den ersten Bissen abzustechen. Klack – er fliegt in weitem Bogen auf die Sitzbank, wo ich ihn schnell aufhebe und in den Mund schiebe. Schon habe ich klebrige Finger. Den zweiten Abschnitt gehe ich etwas sorgfältiger an, indem ich die Gabel quer lege und niederdrücke. Aber der Zuckerguss lässt sich nur schwer zerteilen und die Kochcreme wird seitlich herausgedrückt. Jetzt kann ich entweder nur Creme oder dann Blätterteig mit Zuckerguss essen, und langsam zerbröselt und zersplittert mir die Schnitte unter den Fingern. Der Teller sieht nachgerade aus wie ein Schlachtfeld, und der Gabelgriff ist auch klebrig geworden. Mann! Diese einzigartige, edle Patisserie – und diese Sauerei beim Essen! Ein riesen Ärgernis!
Jedes Mal schwöre ich mir, endlich davon zu lassen, und falle dann doch wieder darauf herein, denn den Cornets fehlt der Zuckerguss und den Mohrenköpfen der knusprige Teig. Nein, nichts kommt an Cremeschnitten heran – unvergleichlich mühsam ist aber auch deren Verzehr im Café.
So dachte ich, dass ich wohl für den Rest meines Lebens mit dieser unüberwindbaren Hürde konfrontiert bleiben würde.
Aber siehe da, manchmal öffnen sich Tore, wenn mans nicht erwartet! Da hat doch wahrhaftig ein Schweizer einen Cremeschnittenschneider erfunden, der es erlaubt, das kostbare Stück in saubere Portionen zu zerteilen: eine Art Spagettizange, die aus Messer und Gabel besteht. Mit der Gabel blockiert man die Schnitte und zieht nun das Messer quer durch. So entstehen kleine Schnittchen, die man problemlos mit der Gabel zum Mund führen kann.
Halleluja! Tausende von Cremeschnittenfans werden jubilieren.
Und einmal mehr wäre damit bewiesen: Durchhalten im Leben – und die Probleme lösen sich von selbst!


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